Am Sonntag ging es dann frueh Morgens nach Tokyo. Und direkt tat sich ein Problem auf, denn vor zehn Uhr tut sich an der Hostel-Rezeption GAR nichts. Da ich aber nicht den superschweren Rucksack mit nach Tokyo und zurueck schleppen wollte, musste ich den ja irgendwo lassen. Ich habe dann mal mein ganzes Menschheitsvertrauen zusammengerafft, den Rucksack an die Rezeption gestellt und hinterher Ryutaro da anrufen lassen – und siehe da: als ich wieder da war, lag er auf meinem Bett. Yeah! (Man muss dazu sagen, dass die Hostelzimmer sich nicht abschliessen lassen und ich nicht sicher war, ob mein Zimmer in der einen Nacht Abwesenheit anderweitig vergeben war, sonst haette ich den Rucksack gleich da gelassen.
Nach Tokyo bin ich mit dem „Shinkansen“ gefahren, Japans schnellere Version dess ICEs. Damit laesst sich die Strecke Osaka-Tokyo, eine sechsstuendige Autofahrt, locker in drei Stunden schaffen. Und eine japanische Erfahrung ist es auch. Denn, liebe Leserinnen und Leser, die Verbeugung ist ja quasi der Haendedruck des Japaners. Auch wenn es hier heute den Meisten wohl nicht mehr so gelaeufig ist, wer sich eigentlich wie tief vor wem verbeugen soll, ist es in vielen Bereichen noch gang und gebe. So verbeugte sich der Shinkansen-Schaffner jedes Mal sehr tief, wenn er zur Fahrkartenkontrolle durch den Wagen kam oder ihn wieder verliess. Wenn er einfach nur tatenlos durchging, reichte auch eine leichte Verbeugung. Ebenso die Dame, die staendig mit dem Essenswagen durch die Waggons kam: Tuer auf, Verbeugung, Durchgang, Verbeugung, Tuer zu. Das ganze wirkte aber nicht etwa laecherlich oder Fehl am Platze, sondern es verlieh dem ganzen einen sehr… mmh… eleganten, wuerdevollen Rahmen, fand ich.
In Tokyo angekommen, schleifte mein Freund Ryutaro mich gleich mal in das naechste traditionelle japanische Kleinrestaurant. Traditonell deswegen, weil neben „normalen“ Tischen auch japanische Tische dort standen, an denenn man nur im knien bzw. so-halb-dran-liegen (Zitat Ryutaro: kneeling cuts of the blood in my legs!) essen konnte. Es gab Tee (ja, liebe Leserinnen und Leser, ICH habe Tee getrunken!!).
Dann machten wir eine kleine Stadttourm inklusive eines Besuchs des… ACHTUNG, KULTURWARNUNG! Asakusa-Kannon-Tempel, eines der bekanntesten touristischen Ziele Japans, mit einem riesigen Lampion vor dem Donnertor, vor dem hunderte Menschen Fotos machten (inklusive uns). Der Lampion scheint allerdings nicht so sehr traditionell zu sein, denn laut Ryutaro lautet die Inschrift unten am Lampion „Panasonic“, die Firma hat das Dingen scheinbar gestiftet… Teil des Tempels ist der goldene Schrein der Goettin der Barmherzigkeit, Sho Kannon. Es bringt Glueck, wenn man dort eine 50-Yen-Muenze reinwirft, zweimal in die Haende klatscht, sich etwas wuenscht, und noch einmal doppelt klatscht. Klar, das hab ich gemacht. Und ich habe mir auch den Rauch aus so einer grillartigen Feuerstelle zugefaechert, denn auch das bringt Glueck.
Weitere Stationen: Die grossartige Aussicht aus dem 45. Stock der Tokyoter Stadtverwaltung (leider war es zu nebelig um den Fuji zu sehen) und die Glitzermeile Ginza, die tagsueber von 8 bis 20 Uhr fuer Autos gesperrt ist (ich war dort uebrigens auch im Apple-Store, Herr Komander…!)
Die naechsten zwei Stunden verbrachten wir in einem weiteren Restaurant, wo wir jede Menge japanisches Essen (unter anderem fritierte Shrimps mit Augen… ich musste erst mal ein Rollenspiel mit dem Shrimp durchfuehren, bevor ich ihn so essen konnte…), japanisches Bier und den beruehmten Sake, einen milden Reiswein, zu uns nahmen. Exzellent und sicherlich ohne Ryus sprachliche Hilfe fuer mich nicht moeglich.
Dann fuhren wir in die Wohnung von Ryus Eltern, wo ich auch uebernachtete. Der Vater begruesste mich mit einem froehlichen „Guten Tag!“, ich war aber zu langsam, um darauf zu reagieren und dann war das Gespraech auch schon zwei Meter weiter… naja, er dachte vielleicht, er haette es nicht richtig gemacht… Die Nacht habe ich sehr, sehr traditionell japanisch auf einem Futon verbracht, dass auf Bastmatten ausgelegt wurde.
Zum Fruehstueck, und auch das ist gewoehnungsbeduerftig, aber sehr lecker, gab es Spiegelei, Suppe, Salat, Brot und eine asiatische Frucht, deren Namen ich leider schon wieder vergessen hab. Also eigentlich eine Art Brunch. Nur halt, dass in Japan wohl oft so gefruehstueckt wird.
Mittags ging es dann, da Ryu am Abend wieder arbeiten musste, fuer mich mit dem Bus zurueck zum Bahnhof. Die Busfahrt war meine erste Begegnung mit dem japanischen Linksverkehr aus der Fahrzeugperspektive und ich finde es nach wie vor irre, wie sehr ich immer umdenken muss. Ich waere als Fussgaenger mit Sicherheit schon zwei, drei Mal theoretisch draufgegangen, weil ich gewohnheitsgemaess immer erst links gucke, bevor ich ueber die Strasse gehe. Das nuetzt natuerlich so gar nichts, wenn die Autos von rechts kommen…
Gestern Abend war ich mit einigen meiner Hostel-Mitbewohner (Nigel aus Kanada, der in Suedkorea Englisch unterrichtet und vier Tage in Japan ist und Charlie, Pete und Laura aus England, die eine Weltreise machen) in Namba unterwegs, dem Vergnuegungsviertel Osakas. Highlight des Abends: Ich bleibe beinahe mit dem Kopf in einer Aufzugtuer stecken und ein verrueckter Japaner bombardiert mich mit Fussballernamen (Kaaaan! Schwaistaiga! Klosa!) – nein ernsthaft, ein sehr netter Abend, in der Tat. Ich bin auch endlich dazu gekommen, Tintenfischbaellchen zu essen, die leider etwas enttaeuschend waren.
Also, sayonara! (ich kann inzwischen Guten Tag, Auf Wiedersehen, Danke, Entschuldigen sie, scheisse, „ich haette gerne davon“ und Prost sagen! Oh, und „bitte“ und „wirklich?“ – alles sehr sinnvolle Sachen, finde ich.)